Obstbäume
Obstbäume vor dem Schnitt

Für den Obstbaumschnitt kommt jetzt wieder die beste Zeit. Jedes Jahr heißt es für uns Freunde der eigenen Obstbäume aufs Neue: Schere und Säge in die Hand und auf gehts zum Obstbaumschnitt. Ich selbst habe mich 2012 mit der Theorie dahinter intensiv beschäftigt und auch eine Fortbildung gemacht. In diesem Artikel möchte ich nun der Frage nachgehen, warum wir Obstbäume überhaupt schneiden. Manch ein romantischer Naturliebhaber kam schon auf die Idee, dass man sich das doch sparen könnte. Die Natur wächst doch von alleine, oder? Doch so einfach ist das nicht.

Was ist eigentlich Obstbaumschnitt?

Als Obstbaumschnitt bezeichnet man den regelmäßigen Schnitt an Obstbäumen. Das bedeutet, dass im besten Fall jährlich bestimmte Teile des Baums abgeschnitten oder abgesägt werden. Die Gründe für diese doch recht aufwändige Tätigkeit folgen nun.

Grund 1: Unsere Obstbäume sind nicht „natürlich“

Um gleich zu Anfang alle Illusionen zunichte zu machen, möchte ich klar stellen, dass alle unsere Apfelsorten, Birnensorten, Kirschsorten, usw. auf einer Jahrhunderte dauernden Züchtung und Auslese beruhen. Der Wildapfel ist klein und sauer und auch die Wildformen der anderen Obstarten sind nicht viel besser. Dazu kommt eine oft sehr dornige Begrüßung, falls sich doch ein erwartungsvoller Esser findet. Denn die Zweige des Wildapfels haben recht unangenehme Dornen. Wir Menschen haben angefangen, einzelne Zufallssämlinge zu vermehren und durch Kreuzungen noch bessere Sorten zu bekommen. Und unser heutiger Reichtum an guten Sorten beruht auf der Arbeit unserer Vorväter. Leider steht dieser Sortenreichtum in der Gefahr, wieder verloren zu gehen.

Da unsere Obstsorten also Kulturformen sind, benötigen sie auch besondere Unterstützung, um gute Früchte zu haben. Ein Teil dieser Unterstützung ist der Schnitt.

Grund 2: Statik des Obstbaums verbessern

Der Hauptgrund für einen regelmäßigen und fachkundigen Schnitt vom Tag der Pflanzung an ist die Statik. Wenn an einem Apfelbaum erst einmal mehrere 100kg Äpfel hängen, ist es zu spät, sich über dessen Statik Gedanken zu machen. Da werden dann Äste gestützt, um damit das Abbrechen bei übergroßer Last zu verhindern. Das ist nur eine bedingt hilfreiche Maßnahme und arbeitssparender wäre es gewesen, dem Baum durch frühzeitigen Schnitt zu einer guten Statik zu verhelfen. Zu oft sieht man dann auf den Wiesen dicke, abgebrochene Leitäste. Der Baum ist nie wieder derselbe.

Doch mit einer guten Erziehung in der Jugend kann ich dafür sorgen, dass der Baum auch im Alter stabil steht und nicht so leicht ausbricht.

Grund 3: Licht gegen Verkahlung

Eine Pflanze bildet nur dort Blätter, wo sie die Chance sieht, durch Fotosynthese Zucker zu erzeugen. Daher kommt es, dass Bäume im unteren Bereich und innen gerne kahl werden – sie verkahlen. Das liegt daran, dass Bäume überwiegend und am stärksten an der Spitze wachsen. Ein Baum will eben nach oben. Doch durch dieses Wachstum werden die unteren und inneren Partien immer mehr beschattet und schließlich nicht mehr versorgt. Das möchten aber wir Menschen nicht. Zum einen möchten wir es nicht, weil der Baum dadurch früher stirbt. Denn wenn der Baum einmal eine gewisse Größe erreicht hat, geht es nicht weiter.

Der zweite, recht banale Grund für den Obstbaumschnitt gegen Verkahlung ist die Erntehöhe. Es gibt sozusagen zwei Gruppen von Obstbaumbesitzern. Die eine Gruppe schneidet den Baum derart, dass Licht in das Kroneninnere kommt und der Baum auch im unteren Bereich schöne Früchte hat, die leicht zu ernten sind. Die andere Gruppe dagegen kauft sich jedes Jahr eine längere Leiter, um in ungeahnten Höhen, unter sprichwörtlicher Lebensgefahr, auch die letzte Kirsche zu bekommen (Anmerkung: In Baden-Württemberg stirbt im Schnitt pro Jahr ein Mensch bei der Kirschernte).

Grund 3: Bessere Fruchtqualität

Der Obstbaumschnitt verhindert nicht nur ein Verkahlen im unteren und inneren Bereich des Baums, sondern soll auch die Fruchtqualität verbessern. Das geschieht zum einen auch durch das Licht, das ins Kroneninnere fällt. Denn gute Früchte benötigen Licht. Ohne Licht produzieren die Blätter keinen Zucker, der in die Früchte eingelagert werden kann. Und da der Zucker meist nur einen kurzen Weg zurücklegt, sind die Früchte mit wenig Licht nicht so gut versorgt.

Der zweite Vorteil des Obstbaumschnitts für die Qualität ist die Ausdünnung. Es gibt meistens viel zu viele Blütenknospen an einem Baum. Bei Äpfeln rechnet man damit, dass 3-5% befruchtete Blüten für eine Vollernte völlig ausreichen. Daher ist es gut, dem Baum gleich zu Anfang 20-30% der Knospen zu nehmen und seine Kraft so auf die verbleibenden Blütenknospen zu konzentrieren. Auch haben Untersuchungen gezeigt, dass das Endgewicht einer Ernte gleich bleibt, auch wenn man weniger Früchte auf dem Baum lässt. Der Baum packt entweder 100% Kraft in 100 Äpfel oder 100% seiner Kraft in 75 Früchte. Masse haben die 75 Früchte dann so viel wie die 100.

Doch ich weiß selbst, wie schwer es fällt, solche Gesetzmäßigkeiten zu glauben und wirklich lieber weniger Äpfel auf dem Baum zu lassen…

Grund 4: Alternanz mildern

Alternanz im Obstbau ist das Phänomen, dass ein Baum im einen Jahr sehr viel trägt und im andern dafür gar nichts. Dieser Wechsel zwischen Vollertrag und Nullertrag ist die Alternanz. Durch den Obstbaumschnitt ist es nun möglich, diese Alternanz zu mildern. Wie oben bereits angesprochen, werden durch den Schnitt etwa 20-30% der Knospen entfernt. Und das hat hormonelle Wirkungen auf den Baum. Die Blütenknospen für das nächste Jahr werden bereits Ende Juni angelegt. Das ist genau der Zeitpunkt, wo ein Baum mit Vollbehang unter der Last der Früchte stöhnt und sie kaum versorgen kann. Wenn der Baum nun kaum Kraft hat, dann wird er auch nur wenige Blütenknospen bilden. Manche Sorten bilden schlichtweg gar keine. Und so führt die Vollernte im einen Jahr zur Missernte im nächsten. Also sorgt man lieber jedes Jahr für einen guten, aber nicht zu vollen Behang, anstatt im einen Jahr etwas mehr zu haben, aber im nächsten gar nichts.

Grund 5: Krankheiten bekämpfen

Beim Obstbaumschnitt komme ich auch recht nah an den Baum ran und kann gleich mögliche Krankheiten wie Obstbaumkrebs, Mehltau oder Läuse erkennen. Die kann ich dann gezielt herausschneiden und dadurch den Befall in der kommenden Vegetationsperiode veringern. Somit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe.

Das waren also nun die Gründe für den Obstbaumschnitt. Das Thema ist übrigens ein sehr interessantes. Bald mal mehr davon.

Warum Obstbaumschnitt?
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